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CRISPR-basierte Therapien, Teil 2: Ihre Probleme und ihr Potential

Im ersten Teil dieses Textes habe ich euch Exa-cel, die erste CRISPR-basierte Gentherapie vorgestellt. Wie wir gesehen haben, ist das CRISPR/Cas9-System extrem gut dazu geeignet, DNA an einer ganz spezifischen Stelle zu editieren. So können dann – wie z.B. bei Exa-cel – bestimmte Gene ausgeschaltet werden.

Das funktioniert, indem eine guide RNA an eine komplementäre DNA-Sequenz bindet und das Cas9-Protein die DNA an dieser Stelle schneidet. Dieser DNA-Doppelstrangbruch führt dazu, dass zufällige Nukleotide (die einzelnen Bausteine der DNA) entfernt oder eingefügt werden. Durch diesen non-homologous end joining genannten Prozess verliert das geschnittene Gen seine Funktion. Mithilfe eines anderen Prozesses können sogar neue Gene an der geschnittenen Stelle eingefügt werden. Was jedoch auch immer das Ziel ist, CRISPR/Cas9 ist ein sehr exaktes und wirkungsvolles Werkzeug.

Cas9 schneidet DNA dort, wo die guide RNA bindet. (Bild: marius walter, CC BY-SA 4.0)

Aber wenn das CRISPR/Cas9-System ein so tolles Werkzeug ist, warum behandeln wir dann noch nicht alle möglichen Krankheiten damit? Das Potential wäre auf jeden Fall da. Diverse Erbkrankheiten könnten „einfach“ korrigiert werden. Schlimme Autoimmunerkrankungen könnten behandelt werden. Die Krebstherapie könnte enorme Fortschritte machen (beispielsweise könnten mit CRISPR heterologe CAR-T-Zellen hergestellt werden – was das ist findet ihr in meinem Text über die CAR-T-Zelltherapie). Oder Patient:innen mit Diabetes mellitus, gerade vom Typ 1, wären nicht mehr von einer lebenslangen Medikation abhängig.

Nun ja, ein Grund ist, dass wir das Potential des CRISPR/Cas9-Systems noch nicht so lange kennen und solche Dinge eben Zeit brauchen. Aber ein anderer gewichtiger Grund ist, dass noch einige Hürden überwunden werden müssen, bis aus CRISPR eine massentaugliche Therapieoption wird.

Schutzmechanismen und off target-Effekte

Ein – aus biologischer Sicht sehr spannendes – Problem ist, dass die Anwendung von CRISPR/Cas9 die Entstehung von Krebszellen fördern könnte. Laut eines Papers von 2018 lösen die Doppelstrangbrüche, die dabei entstehen, einen eingebauten Schutzmechanismus in Zellen aus: Den Zellzyklusarrest durch das Tumorsuppressorprotein p53. Das bedeutet einfach nur, dass die Zelle sich zum Schutz vor der Verbreitung von DNA-Schäden nicht weiter teilt (über den Tumorsuppressor p53 gibt es auch einen Blogbeitrag von mir, falls ihr gerne mehr darüber wissen wollt). Das führt dann aber dazu, dass bei der Anwendung von CRISPR Zellen selektiert werden, deren Schutzmechanismus defekt ist, da diese sich ja weiter teilen können. Solche Zellen sind dann deutlich anfälliger dafür, zu Krebszellen zu werden, da sich in ihnen einfacher Mutationen akkumulieren können.

CRISPR/Cas9-editierte Zellen könnten also ein größeres Risiko zur Entstehung von Tumoren bergen. Soweit ich weiß, gibt es dazu aber keine klinischen Daten. Gerade bei einer so neuartigen Therapie sollte das allerdings genau im Auge behalten werden. Denn für innovative Therapien, die seltene Krankheiten als Ziel haben oder deutlich besser zu sein versprechen als die bisherige Behandlung, gibt es beschleunigte Zulassungsverfahren – und das auch zurecht. Aber gerade langfristige Folgen wie Krebs könnten dabei erstmal unentdeckt bleiben.

Dann gibt es noch etwas, das off target-Effekte genannt wird. So nennt man es, wenn die guide RNA an andere Stellen der DNA bindet als beabsichtigt, die dann ebenfalls geschnitten werden. Dabei können dann möglicherweise wichtige Gene zerstört werden. Glücklicherweise ist es möglich, solche off target-Effekte mit computerbasierten oder experimentellen Methoden vorherzusagen – was dann für jeden neuen Therapieansatz nötig ist und z.B. auch bei Exa-Cel gemacht wurde.

Aber auch wenn die gewünschte Stelle der DNA geschnitten wird, können Probleme auftreten. Ein Paper ebenfalls von 2018 zeigt, dass es nicht nur zu kleinen indel-Mutationen kommen kann, sondern auch zu sehr großen Veränderung der DNA. Mehrere Kilobasen lange Stücke (das ist ziemlich lang) können deletiert werden, oder das Erbgut wird an dieser Stelle ganz umstrukturiert. Das kann dann wiederum auch andere Gene als nur das Ziel-Gen betreffen, obwohl die guide RNA an die richtige Stelle gebunden hat.

Vektoren und Immunantwort

Letztlich ist bei jeder CRISPR-basierten Therapie auch die Frage, ob sie in vivo oder ex vivo stattfindet, also innerhalb oder außerhalb der Patient:innen. Exa-Cel ist eine ex vivo-Therapie: Stammzellen werden den Patient:innen entnommen, genetisch verändert, und dann wieder eingesetzt. So ein Verfahren ist extrem aufwändig und teuer, und es geht auch mit Nachteilen für die Patient:innen einher. Beispielsweise müssen vor der Infusion von Exa-Cel alle vorhandenen Stammzellen des Knochenmarks mit Zytostatika zerstört werden, damit sich die editierten Stammzellen etablieren können.

Eine der größten Herausforderungen für die in vivo-Anwendung dagegen ist es, den richtigen Vektor zu finden. Denn irgendwie muss das CRISPR/Cas9-System seinen Weg in die richtigen Zellen finden. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. Zur Wahl stehen u.a. virale Vektoren wie Lenti- oder Adeno-assoziierte Viren, Liposomen oder Nanopartikel.

Adeno-assoziiertes Virus. (PDB 7WJW)

Schnitt durch ein Liposom,

Alle Überlegungen auszuführen, die in der Wahl oder Entwicklung des passenden Vektors stecken, würde vermutlich einen eigenen Text benötigen. Aber ein wichtiger Punkt dabei ist die Immunreaktion, die der Vektor auslöst. Gerade virale Vektoren bergen das Potential, vom Immunsystem erkannt und bekämpft zu werden.

Aber tatsächlich ist das nicht nur ein Problem der Vektoren. Das Cas9-Protein selbst ist immunogen, und die Mehrzahl der Menschen besitzen Antikörper und T-Zellen, die gegen die gebräuchlichsten Cas9-Proteine gerichtet sind (beschrieben in diesem Paper). Da besteht dann natürlich die Gefahr, dass die Immunreaktion – auf Vektor oder Cas9 – die Therapie neutralisiert und zusätzlich Nebenwirkungen auslöst.

Das Potential der CRISPR-basierten Therapien

Ihr seht also, dass CRISPR keine Wunderwaffe ist, die alle Krankheiten heilen kann. Aber die Zulassung von Exa-Cel zeigt immerhin, dass CRISPR-basierte Therapien das Potential besitzen, welches wir – oder zumindest die Seriöseren unter uns – uns von ihnen erhofft hatten. Sie können eine ursächliche Behandlung für Krankheiten bieten, für die das ansonsten nur schwer oder gar nicht möglich wäre, und das ist eine extrem vielversprechende Aussicht.

Wir werden auf jeden Fall noch weitere CRISPR-basierte Therapien in die Klinik kommen sehen. Erstmal werden das aber teure und aufwändige Therapien bleiben, die eher selten angewendet werden. Bis CRISPR-basierte Therapien massentauglich sind, müssen noch einige Probleme gelöst werden. Wann und ob überhaupt das möglich ist, wird dann wohl die Zeit zeigen müssen.

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Biomolekül des Monats: Der Tumorsuppressor p53

Ob lange Stränge aus DNA, riesige Proteine aus hunderten Aminosäuren oder kleine Moleküle aus wenigen Atomen: Biomoleküle haben unendlich viele faszinierende Aufgaben, um unsere Körper am Laufen zu halten. Daher stelle ich hier jeden Monat eines davon und seine Besonderheiten vor.

Krebserkrankungen sind meistens sehr komplex, jedoch haben sie alle eine gemeinsame Ursache: Veränderungen im Erbgut einer Zelle, der DNA. Solche Mutationen sind tatsächlich sehr häufig und können durch viele Faktoren ausgelöst werden. Aber glücklicherweise führen nicht alle Mutationen auch zur Entstehung von Tumoren. Denn unsere Zellen besitzen Schutzmechanismen, um genau das zu verhindern. Einer der wichtigsten ist ein Protein mit dem unscheinbaren Namen p53, das ich euch hier vorstellen möchte.

p53-Tetramer gebunden an DNA (Richard Wheeler (Zephyris) CC BY-SA 3.0)

p53 ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor. Das sind Proteine, die die Übersetzung von DNA in mRNA regulieren. Letztendlich verhindern oder verstärken sie damit die Expression von bestimmten Proteinen.

Wenn die DNA beschädigt wird führt das dazu, dass sich p53 in der Zelle anreichert. Dadurch kann es dann seine Wirkung als Transkriptionsfaktor entfalten. Dazu gehört, dass p53 den Zellzyklus stoppt. Diesen Zyklus durchlaufen Zellen, bevor sie sich teilen können. Mit dem Stopp verhindert p53 also eine Vermehrung von Zellen mit kaputter DNA.

Das war aber noch nicht alles. Denn wenn sich sehr viel p53 angereichert hat, aktiviert es außerdem Proteine namens Bax. Bax leitet dann die Apoptose ein (bzw. verhindert Bax die Hemmung der Apoptose). Als Apoptose bezeichnet man den programmierten Zelltod, und damit wird letztendlich verhindert, dass sich aus einer Zelle mit irreparablen DNA-Schäden ein Tumor entwickelt.

Wie viele andere Prozesse in der Biologie auch ist die Einleitung der Apoptose ein ziemlich komplexer Signalweg, mit einer Reihe von Proteinen, die einander aktivieren (In kurz: p53 aktiviert Bax, dadurch wird Cytochrom c aus Mitochondrien freigesetzt, das zusammen mit APAF-1 die Caspase-9 aktiviert, die wiederum andere Caspasen aktiviert, die die Apoptose auslösen). Einerseits ist das natürlich gut, damit eine Zelle nicht einfach „ausversehen“ in den programmierten Zelltod geht. Andererseits erfüllen solche Signalkaskaden aber auch die wichtige Aufgabe, das Signal zu verstärken. Denn selbst wenn anfänglich nur wenig Bax aktiviert wird, aktiviert jeder Zwischenschritt dieser Reihe mehrere Proteine des nächsten Schritts, wodurch am Ende der Kaskade deutlich mehr aktivierte Proteine stehen.

Diese beiden Funktionen von p53, Zellzyklus-Arrest und Apoptose, spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Verhinderung von Krebserkrankungen. Deshalb wird p53 auch als Tumorsuppressor bezeichnet, also als ein Tumor-unterdrückendes Protein. Im Gegenzug führt eine Mutation in dem Gen, in dem der Bauplan für p53 codiert ist (das TP53-Gen) aber auch dazu, dass die Entwicklung von Tumoren deutlich wahrscheinlicher wird, weil diese Schutzfunktion fehlt. Tatsächlich ist das oft eine Mit-Ursache für Krebs, und in etwa der Hälfte der Tumore ist das TP53-Gen mutiert.

Und einen kleinen Abstecher in die Pharmazie können wir an dieser Stelle auch noch machen: Wenn p53 in einer Krebszelle noch funktionsfähig ist, kann es ein starker Mitstreiter bei der Bekämpfung der Krebserkrankung sein. Denn viele Cytostatika wirken, indem sie die DNA von Krebszellen schädigen. Dadurch wird dann p53 aktiviert und führt zum Tod der Krebszelle. Allerdings bedeutet das auch, dass sich Krebserkrankungen, bei denen p53 mutiert ist, mit diesen Cytostatika weniger gut behandeln lassen.

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