Nachfolgend findet ihr die zweite Folge des LaborGeflüster-Podcasts als Text. Falls ihr euch die Folge lieber anhören möchtet, dann könnt ihr das über den Player oben machen oder auf der Podcast-Plattform eurer Wahl. Mehr Infos, alle Links und den Feed findet ihr auf laborgefluester.letscast.fm.
Wenn mich jemand fragen würde: „Was ist eine Sache, die für Menschen in den Life Sciences selbstverständlich ist, auf die andere Menschen aber nie kommen würden?“, dann wäre meine Antwort vermutlich die Tatsache, dass das Leben homochiral ist.
Wir ignorieren kurz, dass die fragende Person antworten würde: „Ja wow, keine Ahnung, was dein weirder da Fachbegriff bedeutet.“ Dabei ist das Konzept dahinter ganz einfach und gleichzeitig echt faszinierend. Von vielen Biomolekülen benutzt das Leben nämlich immer nur eine der möglichen Spiegelbildformen.
Ihr müsst euch das wie bei euren Händen vorstellen. Die könnt ihr übereinanderlegen, wie ihr wollt, aber ihr könnt sie nie genau zur Deckung bringen. Probiert es mal aus. Immer ist entweder eine unterschiedliche Seite oben oder die Daumen sind auf unterschiedlichen Seiten. Und genau so ist das mit vielen Molekülen auch. Man sagt deshalb, die Moleküle haben eine Händigkeit. Und wenn man angeben möchte, sagt man statt Händigkeit eben Chiralität. Und homochiral heißt dann einfach, dass die Moleküle immer die gleiche Händigkeit besitzen.
Wenn wir uns das Leben anschauen, merken wir, dass die Grundbausteine des Lebens, vor allem Zuckermoleküle und Aminosäuren, aus denen die Proteine bestehen, alle homochiral sind. Aber… warum eigentlich?
Die Frage zu beantworten ist im Gegensatz gar nicht so einfach. Die Frage, wie das Leben entstanden ist und die Frage, wie die Homochiralität entstanden ist, hängen nämlich ziemlich eng zusammen. Vielleicht ist es sogar ein und die selbe Frage. Jede Möglichkeit für die Entstehung des Lebens muss nämlich auch die Entstehung der Homochiralität erklären.
Trotzdem ist die Frage, wieso das Leben immer nur eine Spiegelbildform eines Moleküls benutzt, super spannend. Deshalb möchte ich euch in dieser Folge LaborGeflüster von einer sehr eleganten möglichen Erklärung erzählen.
Aber wir können auch noch einen Schritt weiter gehen. Wir können uns auch fragen, wie es wäre, wenn Lebensformen die andere Spiegelbildform verwenden würden. Spiegel-Leben im Prinzip. Und was passieren würde, wenn zwei spiegelbildliche Lebensformen aufeinandertreffen würden. Deshalb werden auch außerdem versuchen, auch auf die Frage wenigstens Antwort-Möglichkeiten zu finden.
Also… jedes chirale Molekül, also jedes Molekül mit Händigkeit, hat spiegelbildliche Formen. Und das Leben, wie wir es kennen, benutzt meistens nur eine davon. Proteine sind zum Beispiel nur aus L-Aminosäuren, linkshändigen Aminosäuren aufgebaut. Zucker sind im Gegensatz rechtshändig, man nennt sie D-Zucker. Ob ein Molekül jetzt rechts- oder linkshändig genannt wird, ist übrigens nur Konvention. Irgendwann hat man sich darauf geeinigt, dass die eine Form eben rechtshändig ist, und die andere dann linkshändig.
Aber zurück zum Thema: Wie könnte so eine Homochiralität entstanden sein?
Dazu müsst ihr wissen, dass sich die Spiegelbilder von Molekülen erstmal gar nicht unterscheiden. Sie haben nur in einer chiralen Umgebung unterschiedliche Eigenschaften, also wenn zum Beispiel andere chirale Moleküle um sie herum sind. Dann können die Eigenschaften aber wirklich dramatisch unterschiedlich sein.
Das Paradebeispiel, das bestimmt schon einige von euch kennen, ist Thalidomid. Das ist der Wirkstoff, der damals in Contergan war. Das eine Thalidomid-Spiegelbild hatte die gewollte beruhigende Wirkung. Das andere hat schlimme Entwicklungsstörungen bei Ungeborenen verursacht… Und so entstand der Contergan-Skandal durch die beiden Thalidomid-Spiegelbilder. Ohne die chirale Umgebung „menschlicher Körper“ sind die beiden Spiegelbilder aber exakt gleich.
Das heißt jetzt für uns, dass die Chiralität irgendwo her kommen muss. Irgendwas, das schon chiral ist, muss in einer Welt, in der von allen Molekülen beide Spiegelbilder existieren, dafür gesorgt haben, dass die sich unterschiedlich verhalten und nur eines bei der Entstehung des Lebens benutzt wurde.
Stellt euch mal die frühe Erde vor, bevor das Leben entstanden ist. Und jetzt stellt euch auf dieser frühen Erde einen Teich vor. Der Teich ist von allen Zu- und Abflüssen abgeschnitten. So langsam aber sicher wird der Teich verdunsten. Aber noch ist Wasser da, und auf das Wasser brennt unbarmherzig die Sonne herunter. Zu dieser Zeit gab es noch keine Ozon-Schicht in der Atmosphäre, und so trifft das komplette relativ hochenergetische UV-Licht der Sonne auf den See. Da hätte dann auch Lichtschutzfaktor 50+ nichts mehr gebracht. Der Boden des Sees besteht zum Großteil aus dem Mineral Magnetit, und ein Teil des UV-Lichts geht durch das flache Wasser hindurch und trifft auf das Magnetit am Teichboden.
Solche Teiche, wie ich sie gerade beschrieben habe, gab es vermutlich wirklich auf der frühen Erde. Und sogar auf dem Mars hat der Curiosity Rover Belege für so einen Teich gefunden. Bisher ist das Szenario also gar nicht so unwahrscheinlich.
Aber zurück zum Teich: Die UV-Strahlung der Sonne trifft auf das Magnetit am Boden des Teichs. Und jetzt? Jetzt schlägt die harte UV-Strahlung Elektronen aus dem Magnetit heraus, in das Wasser des Sees hinein. Und die Elektronen haben eine ziemliche Besonderheit: Sie haben nämlich eine definierte Händigkeit.
Das liegt an einer Eigenschaft der Elektronen, die sich leider relativ blöd erklären lässt. Es ist tatsächlich sogar ein Paradebeispiel für etwas, das man schwer erklären kann. Aber hey, versuchen wir es trotzdem mal. Es geht um den Spin der Elektronen. Um euch vorzustellen, was der Spin ist, müsst ihr euch einfach nur ein Elektron als drehenden Ball vorstellen, und der Spin ist die Drehrichtung. Nur dass Elektronen keine Bälle sind und sich auch nicht drehen.
Was dieses Beispiel zeigen soll, ist, dass Quanteneigenschaften super unintuitiv sind. Wichtig ist nur, dass der Spin halt so eine Quanteneigenschaft ist, und immer eine von zwei entgegengesetzten „Richtungen“ – in Anführungszeichen – hat.
Die Richtung des Spins kann unter anderem von einem Magnetfeld beeinflusst werden. Und weil Magnetit magnetisch ist – wer hätte es gedacht – haben die Elektronen, die aus dem Teichboden geschlagen werden, alle den gleichen Spin. Sie bewegen sich außerdem alle in dieselbe Richtung – in den Teich hinein – und durch die gleiche Richtung und den gleichen Spin entsteht ihre Händigkeit.
Wir haben also einen Verdunstungssee auf der frühen Erde, in dem Moleküle herumschwimmen. Die Moleküle haben eine Händigkeit, aber es gibt gleich viele von beiden Spiegelbildformen. Das unbarmherzige UV-Licht der Sonne schlägt Elektronen aus dem Teichboden heraus. Und dann? Tja, dann sorgen die Elektronen dafür, dass wir von einer der Spiegelbildformen bald mehr bekommen als von der anderen…
Wir hatten ja gesagt, dass sich die Spiegelbilder von Molekülen nur in einer chiralen Umgebung unterscheiden. In dem See sind also beide Spiegelbildformen fröhlich rumgeschwommen und man hätte keinen Unterschied zwischen ihnen bemerken können. Wenn jetzt auf einmal aber die Elektronen mit ihrer definierten Händigkeit dazukommen, dann existiert auf einmal eine chirale Umgebung für die Moleküle.
Wenn ein Elektron auf ein Molekül trifft, können die beiden reagieren. Das Molekül kann das Elektron aufnehmen – man sagt, das Molekül wird reduziert. Vielleicht können sich einige ja aus dem Chemieunterricht in der Schule oder aus der Uni daran erinnern. Das Elektron mit seiner festgelegten Händigkeit reagiert jetzt aber bevorzugt mit einer der beiden Spiegelbildformen des Moleküls. Tatsächlich ist es so, dass rechtshändige Elektronen am liebsten mit linkshändigen Molekülen reagieren, und umgekehrt. Aber auch hier ist die Benennung als rechts- oder linkshändig einfach nur Konvention und hat nichts mit echten Händen zu tun.
Was bedeutet das jetzt, wenn ich sage, dass ein Elektron „lieber“ mit einem rechts- oder linkshändigen Molekül reagiert? Elektronen haben ja kein Bewusstsein, oder finden manche Moleküle attraktiver als andere. Es geht dabei dann darum, wie schnell die Reaktion abläuft. Die linkshändigen Elektronen reagieren mit rechtshändigen Molekülen schneller als mit linkshändigen. Letztendlich heißt das, dass nach einer bestimmten Zeit mehr vom rechtshändigen Reaktionsprodukt da ist als vom linkshändigen.
Und so funktioniert es, dass aus einer 50:50-Mischung der beiden Molekül-Spiegelbilder eine Mischung aus Reaktionsprodukten wird, die nicht mehr 50:50 ist. Die Elektronen mit ihrer Händigkeit haben also durch ihre Vorliebe für ein bestimmtes Spiegelbild dafür gesorgt, dass am Ende mehr dieses Spiegelbildes vorhanden ist.
Die Kombination aus UV-Licht, Teich und Elektronen könnte also der entscheidende Moment gewesen sein, an dem die Asymmetrie ins Spiel kam.
Hier ist die ganze Geschichte natürlich noch nicht vorbei. Wir haben jetzt von einem Molekül mehr von der einen Spiegelbildform in einem Teich rumschwimmen als von der anderen. Da muss noch einiges passieren, bis daraus homochirales Leben entsteht. Aber wenn wir davon ausgehen, dass dieses Molekül ein Vorläufer für die Grundbausteine des Lebens ist – Glycerinaldehyd und Lactaldehyd heißen zwei Stoffe, die dafür zum Beispiel in Frage kämen – dann gibt es plausible Wege von dem ersten Überschuss an einer Spiegelbildform bis hin zum modernen homochiralen Leben!
Und was ich gerade beschrieben habe, ist natürlich nicht die einzige Möglichkeit, wie die ersten Ungleichgewichte zwischen Spiegelbildern entstanden sein können. Das könnte auch polarisiertes Licht gewesen sein, oder kosmische Strahlung, oder ein Magnetfeld. Oder halt eine Möglichkeit, auf die wir noch nicht gekommen sind. Zu beweisen, was es wirklich war, ist extrem schwierig. Aber für mich persönlich sind die Elektronen mit ihrer unterschiedlichen Händigkeit, wie sie in einen Teich geschleudert werden und da mit verschiedenen Molekül-Spiegelbildern reagieren, die spannendste Variante.
Aber wie auch immer das Leben homochiral geworden ist – jetzt ist es halt so. Wir alle, egal ob Mensch oder Maus oder Bakterium, benutzen die gleichen Spiegelbild-Moleküle. Doch was wäre, wenn auf einmal ein Lebewesen auftaucht, bei dem das anders ist? Spiegel-Leben, dass immer die anderen Spiegelbilder der Biomoleküle verwendet?
Wäre das komplett egal, weil unsere Biochemie so verschieden ist von der Spiegelbild-Biochemie? Könnten wir irgendwie biologisch interagieren? Oder wäre das Spiegel-Leben sogar gefährlich für uns?
Das sind spannende Fragen, die sich vor kurzem erst Menschen gestellt haben, die sich damit wirklich gut auskennen. Deshalb haben sie einen Bericht darüber geschrieben, welche Gefahren von Spiegel-Leben ausgehen könnten.
Aber zuerst: Ist das überhaupt relevant? Könnte irgendwo plötzlich Spiegel-Leben auftauchen?
Wenn ich schon so blöd frage, dann ist die Antwort natürlich nein. Es wird nicht plötzlich Spiegel-Leben auftauchen, weil auf der Erde nur homochirales Leben entstanden ist. Aber möglich wäre es, dass wir das Spiegel-Leben selber bauen. Also zumindest ist es theoretisch denkbar. Es gibt, soweit wir wissen, nämlich keine grundlegenden Limitationen, die uns davon abhalten würden – bis auf die Umsetzbarkeit natürlich.
In dem Bericht zu möglichen Gefahren von Spiegel-Leben gehen die Autor:innen davon aus, dass es – unter der Voraussetzung von deutlichen technischen Entwicklungen – möglich sein könnte, innerhalb der nächsten zehn Jahre Spiegel-Bakterien im Labor zu erschaffen. Das ist natürlich eine extrem optimistische Schätzung. Ich persönlich würde eher, falls wir das denn überhaupt schaffen, von einigen Jahrzehnten mehr ausgehen.
Aber es stimmt, dass eifrig daran geforscht wird, einfache Zellen im Labor zu bauen. Und es stimmt auch, dass wir dafür theoretisch immer die jeweiligen Spiegelbild-Moleküle benutzen könnten. Und wenn das klappt, dann – tadaa! — hätten wir eine Spiegelbild-Zelle. Trotzdem bleibt es dabei, dass es für uns noch eine ziemliche Herausforderung ist, große Spiegelbild-Biomoleküle wie DNA oder Proteine in einem Maßstab herzustellen, wie wir es für eine Zelle bräuchten. Noch schwieriger wird es mit sehr komplexen Strukturen wie Ribosomen. Das sind die Maschinen der Zelle, die Proteine aufbauen können.
Und aus den Einzelteilen eine Zelle aufzubauen ist natürlich ein sehr reduktionistisches Vorhaben. Reduktionismus ist, wenn man ein System in einzelne Teile zerlegt und man dann Teile aus dem System entfernt oder hinzufügt, um herauszufinden, wofür sie gut sind. Aber das Leben ist echt gut darin, sich gegen Reduktionismus zu wehren. Die Biologie ist nämlich komplexer als uns manchmal lieb ist, mit sehr vielen sehr genau abgestimmten Zahnrädchen, die ineinandergreifen. Und wenn man ein Zahnrädchen entfernt oder hinzufügt kann es sein, dass das ganze System aufhört zu funktionieren oder plötzlich etwas ganz anderes tut. Und zwar ohne, dass wir direkt wissen wieso.
Wir können uns aber auch andere Möglichkeiten vorstellen, wie Spiegel-Leben gemacht wird. Wir könnten auch eine richtig-rume Zelle so modifizieren, dass sie aus den richtigen Nährstoffen nur noch Spiegelbild-Moleküle herstellt und so dann langsam aber sicher zur Spiegelbild-Zelle wird. Das könnte auch ausversehen passieren, wenn wir die modifizierte Zelle eigentlich nur benutzen wollen, um bestimmte Spiegelbild-Moleküle biotechnologisch herzustellen.
Aber wie auch immer es passiert: Spiegel-Leben ist zumindest denkbar. Entweder, eine Spiegelbild-Zelle wird aus Einzelteilen aufgebaut oder entsteht Stück für Stück. Und das könnte sowohl absichtlich als auch ausversehen passieren. Was also würde passieren, wenn wir als homochirale Lebewesen jetzt auf Spiegel-Bakterien treffen würden?
Es könnte sein, dass das nicht gut für uns ausgeht. Die Spiegel-Bakterien könnten theoretisch Menschen infizieren. Und unser Immunsystem könnte da nicht viel dagegen tun.
Das liegt daran, dass viele Teile des Immunsystems von Wechselwirkungen zwischen chiralen Molekülen abhängen. Ob unser Immunsystem mit seinen homochiralen Antikörpern und Rezeptoren dann die Spiegel-Bakterien erkennen kann? Es ist denkbar, dass es das nicht kann. Es werden zum Beispiel auch therapeutische Proteine mit umgekehrter Händigkeit genau deshalb erforscht, weil sie bei Patient:innen keine überschießende Immunreaktion verursachen. In dem Fall ist das gut für uns, weil sie so besser verträglich sind. Aber bei den Spiegel-Bakterien könnte das fatal sein, weil eine ungehinderte Vermehrung der Spiegel-Bakterien in unserem Körper uns sehr krank machen könnte.
Außerdem könnten die Spiegel-Bakterien auch für die Natur gefährlich sein. Es muss zwar nicht sein, dass sie Menschen infizieren können, aber dafür vielleicht Tiere, Pflanzen oder Einzeller. Sie haben ja keine natürlichen Fressfeinde, bieten mit ihren „falschen“ Bausteinen sowieso kaum Nahrung und sind auch sonst vielleicht weniger empfindlich für Abwehrmechanismen. Und ein ganz wichtiger Faktor sind auch Viren: Es gibt nämlich sehr sehr viele Viren, die Bakterien infizieren können, die Phagen. Die halten Bakterien-Populationen ganz schön in Schach. Aber unsere homochiralen Phagen können mit den Spiegel-Bakterien auch nichts anfangen. Und so könnten die sich ungehindert vermehren, was dann einen ähnlichen Effekt auf Ökosysteme haben könnte wie andere eingeschleppte Arten.
Die Spiegel-Bakterien könnten also ganz schön gefährlich werden, sowohl für uns als auch für die Umwelt. Das muss nicht unbedigt so sein, es gibt auch gute Gegenargumente. Zum Beispiel wissen wir überhaupt nicht nicht, ob die Bakterien sich in Menschen oder anderen Lebewesen überhaupt vermehren könnten. Klar, sie können durch Verletzungen in der Haut oder in Schleimhäuten in den Körper gelangen. Aber können sie sich irgenwo festhalten, Membranen überwinden, passende Nährstoffe bekommen und aufnehmen? Wir können sowas nicht wirklich wissen, ohne es auszuprobieren.
Und genau das ist der Punkt, den der Bericht machen will. Wenn wir es ausprobieren – freiwillig oder nicht – könnte es schon zu spät sein, um die Auswirkungen noch zu kontrollieren. Jetzt haben wir noch die seltene Chance, Maßnahmen zu ergreifen, bevor eine mögliche Gefahr da ist. Und da stimme ich mit den Autor:innen auf jeden Fall auch übereien. Die Chance sollten wir nutzen.
Wir brauchen klare Regeln für die Forschung an an Spiegel-Bakterien. Vielleicht sogar ein Verbot. Es ist nämlich egal, welche Vorsichtsmaßnehmen wir treffen, die können alle nur die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass etwas passieren, aber sie können es nicht garantiert ausschließen.
Aber direkt alle Forschung zu verbieten oder zu verteufeln wäre auch falsch: Wie schon gesagt könnten Spiegelbild-Moleküle wichtig als Arzneistoffe werden. Bakterien, die Spiegelbild-Proteine oder andere Moleküle herstellen, könnten dann kleine Fabriken sein, die die therapeutischen Spiegelbilder produzieren. Und mal ganz ehrlich: Ob und wie Spiegel-Leben funktionieren würde, ist auch einfach eine extrem faszienierende Frage! Da muss dann also gut abgewägt werden.
Trotzdem: Lasst uns die Chance nutzen, dass wir – als Menschheit – einmal etwas durchdenken können, bevor es zu spät ist. Es gibt wenigstens theoretisch die Möglichkeit, dass wir Spiegelbild-Leben erschaffen. Und das Spiegel-Leben könnte uns als Menscheit an den Kragen gehen. Wir wissen nicht, ob das wirlich passieren würde, aber mal ganz ehrlich: Würdet ihr es herausfinden wollen, wenn es dann vielleicht schon zu spät ist?
So: Wie auch immer wir hier gelandet sind, das Leben auf der Erde ist homochiral. Es verwendet immer nur Biomoleküle mit bestimmter Händigkeit. Und so im Nachheinein herauszufinden, wie das passiert ist, wird nicht einfach. Das ist wie mit der Frage nach der Entstehung des Lebens. Was wir bisher machen können ist zu schauen, wie es passiert sein könnte, und ob das plausibel ist für die Umstände auf der frühen Erde. Aber nur weil etwas eventuell so funktionieren würde, heißt dass natürlich nicht, dass es auch so gewesen sein muss!
Was wir auf jeden Fall wissen ist, dass irgendetwas dafür gesorgt haben muss, dass es bei den frühen Biomolekülen oder den Vorläufern davon von dem einen Spiegelbild mehr gab als vom anderen. Und wie wir gesehen haben, könnten das Elektronen sein, die vom UV-Licht der Sonne aus einem magnetischen Teichboden herausgeschlagen wurden. Die Elektronen hätten dann selber eine Art Händigkeit, und könnten mit den Reaktionen, die sie eingehen, bestimmte Spiegelbild-Moleküle selektiert haben. Ob das auf der frühen Erde wirklich so passiert ist – und ob das der Grund für die Homochiralität des Lebens ist – kann aber erstmal nichts anderes sein als eine Vermutung.
Genauso können wir nur vermuten, wie wir als homochirale Lebewesen auf Spiegel-Leben reagieren würden. Aber es besteht eine reale Chance, dass Spiegel-Bakterien entweder für uns oder die Umwelt – und damit natürlich auch für uns – gefährlich sein könnten. Und so cool es wäre, herauszufinden, ob und wie Spiegel-Leben funktioniert. Die Gefahr dadurch müssen wir auf jeden Fall gut abwägen.