Alle von uns wissen wahrscheinlich, dass es zu einer gesunden Ernährung gehört, ausreichend Vitamine aufzunehmen. Und einige, die das hier lesen, nehmen dafür wahrscheinlich auch das ein oder andere Nahrungsergänzungsmittel. Aber Hand auf Herz: Wer weiß schon, für was diese ganzen Vitamine eigentlich da sind?

Deshalb habe ich hier eine kleines (naja, eigentlich relativ langes) Vitamin-ABC aufgestellt. Darin erfahrt ihr zum Beispiel, warum wir ohne Vitamin A nichts sehen könnten, weshalb Schwangere unbedingt Folsäure brauchen oder weshalb Vitamin D ein sehr außergewöhnliches Vitamin ist.

Aber vorher müssen wir noch ganz kurz klären, was ein Vitamin überhaupt ist. Das ist gar nicht so einfach, denn es gibt einige Stoffe, die einmal so genannt wurden und heute aber nicht mehr als Vitamin zählen, oder auch andere Stoffe, die ein Vitamin sein könnten, aber nicht in diese Kategorie fallen.

Aber im Prinzip sind Vitamine Stoffe, die wir (in den meisten Fällen) nicht selbst herstellen können und über die Nahrung aufnehmen müssen. Außerdem sind (viele, aber nicht alle) Vitamine Cofaktoren für Enzyme oder Vorläufer davon (einige davon haben aber auch zusätzlich noch andere Funktionen).

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Wir beginnen am Anfang des Vitamin-Alphabets mit Vitamin A. Es ist entscheidend für das Sehen, aber auch wichtig für Stoffwechsel, Embryonalentwicklung, Immunsystem uvm. Es handelt sich dabei eigentlich um mehrere Substanzen aus der Gruppe der Retinoide. Eine dieser Substanzen ist Retinal, das Teil der Lichtrezeptoren im Auge ist. Diese Rezeptoren werden Rhodopsin genannt und ermöglichen uns, Licht wahrzunehmen. Sie bestehen aus dem Protein Opsin und aus Retinal.

Wenn ein Photon der richtigen Wellenlänge, also der richtigen Farbe, auf das Retinal fällt, verändert es seine chemische Struktur. Durch eine Doppelbindung ist das Retinal geknickt, man nennt es in dieser Form 11-cis-Retinal. Durch Licht entsteht das nicht geknickte Isomer, das all-trans-Retinal. Diese Umwandlung löst eine Signalkaskade aus, die letztlich zur Änderung des Membranpotentials der Sehzelle und zur Aktivierung der nachgeschalteten Nervenzellen führt. Anschließend wird das 11-cis-Retinal mithilfe eines Enzyms wieder regeneriert.

Außer Retinal zählen auch der korrespondierende Alkohol Retinol und dessen Ester zum Vitamin A. Und auch Carotinoide gehören dazu, die vom Körper in Retinal umgewandelt werden können (da Karotten viele Carotinoide enthalten kommt daher übrigens der (Irr-)Glaube, Karotten seien gut für die Augen).

Sowohl eine zu geringe als auch eine zu hohe Aufnahme von Vitamin A kann schädlich sein. Zu den Symptomen einer Hypovitaminose (zu wenig Vit. A) gehören u.a. Sehstörungen, Infektanfälligkeit und trockene Haut und Augen. Vit. A-Mangel ist weltweit ein verbreitetes Problem. Hypervitaminosen (zu viel Vit. A) können z. B. durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ausgelöst werden. Oder aber tatsächlich auch durch den Verzehr von Eisbär-Leber, da diese sehr viel Vitamin A enthält.

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Vitamin B1 wird auch als Thiamin bezeichnet. Es fungiert hauptsächlich als Cofaktor für Enzyme, die z. B. für den Kohlenhydrat-Stoffwechsel eine Rolle spielen.

Mit den B-Vitaminen tauchen wir tief ein in die Welt der Cofaktoren. Das sind organische Moleküle, die ein Enzym für seine Funktion braucht, die aber nicht Teil der Aminosäuresequenz des Proteins sind.

Vitamin B1 ist ein Vorläufer des Cofaktors Thiamindiphosphat (TDP). Thiamin spielt v. a. eine Rolle im Energiestoffwechsel oder in der Synthese von ATP und des DNA-Bausteins Desoxyribose. TDP-abhängige Enzyme katalysieren v. a. oxidative Decarboxylierungen, also Reaktionen, bei denen ein Stoff unter Verlust einer Carboxyl-Gruppe oxidiert wird.

Vitamin B1 kommt u. a. viel in Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide oder Hefe vor. Die Thiamin-Mangelerkrankung wird Beriberi genannt. Es kommt z. B. zu Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, später aber auch zu Parästhesien oder Lähmungen.

In Deutschland ist Vitamin B1-Mangel selten, aber Diabetiker:innen oder Patient:innen mit Morbus Crohn gelten als Risikogruppen. Auch eine Überdosierung ist möglich, dann kann es z. B. zu Kopfschmerzen oder Herzrhythmusstörungen kommen.

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Vitamin B2 wird auch Riboflavin genannt und ist wie Vit. B1 auch ein Vorläufer für Enzym-Cofaktoren. Dadurch ist es entscheidend für sehr viele Redoxreaktionen, die in unseren Körpern ablaufen und ohne Riboflavin könnte z. B. der Energiestoffwechsel nicht ablaufen.

Aus Riboflavin entstehen die beiden Cofaktoren Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) und Flavin-Mononukleotid (FMN). Beides sind Redox-Cofaktoren. Sie können Elektronen aufnehmen, also reduziert werden, und aus der reduzierten Form wieder abgeben, also oxidiert werden. Dadurch ermöglichen sie unserem Körper, Elektronen zwischen verschiedenen Molekülen zu übertragen. Unter anderem ist FMN einer der Cofaktoren der Atmungskette, bei der Elektronen auf Sauerstoff übertragen werden, um Energie zu gewinnen.

Vitamin B2 wird oft in Form von FAD oder FMN aus der Nahrung aufgenommen, die an Proteine gebunden sind. Dementsprechend enthalten viele tierische Produkte wie z. B. Milchprodukte viel Vitamin B2, aber auch pflanzliche Produkte wie Spinat oder Vollkorngetreide. FAD und FMN werden im Dünndarm gespalten, so dass Riboflavin aufgenommen werden kann. Später wird Riboflavin wieder zu FAD oder FMN umgesetzt. Ein Vit. B2-Mangel ist bei ausgewogener Ernährung sehr selten und kommt eigentlich nur bei Menschen mit Resorptionsstörungen vor.

Überdosierungen sind zwar kein Problem, da zu viel aufgenommenes Vitamin B2 einfach wieder ausgeschieden wird. Doch daher ist es auch nicht sinnvoll, Vitamin B2 zu supplementieren, wenn kein Mangel besteht.

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Als Vitamin B3 wird die Nicotinsäure (bzw. Niacin) bezeichnet. Und da wir immer noch bei den B-Vitaminen sind, handelt es sich auch dabei um einen Vorläufer für Enzym-Cofaktoren. Und nein, Vitamin B3 hat eigentlich nicht besonders viel mit Nikotin zu tun.

Erstmal zum Namen: Vit. B3 wird Nicotinsäure genannt, da es bei der Oxidation von Nikotin entsteht und so auch entdeckt wurde.

Aus Nicotinsäure werden die beiden Redox-Cofaktoren NAD und NADP gebildet. NAD speichert (als reduzierte Form NADH) Elektronen aus dem Abbau von Glucose, die dann zur Energiegewinnung durch Reduktion von Sauerstoff zu Wasser benutzt werden. NADH dient als Reduktionsmittel bei der Biosynthese von Stoffen.

Wegen dieser Rolle im Energiestoffwechsel ist der Bedarf vom Energiebedarf abhängig. Vit. B3 kommt in vielen Lebensmitteln vor, aber Nicotinsäure aus tierischen Quellen wird besser aufgenommen.

Da NAD/NADP sowohl aus Vitamin B3 als auch aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt werden können, hat ein Vit. B3 Mangel oft keine Folgen. Erst wenn weder Nicotinsäure noch Tryptophan aufgenommen werden, kann es zu der Mangelkrankheit Pellagra kommen. Eine Überdosierung von Vit. B3 kann auch Folgen wie Gefäßerweiterung, Blutdruckabfall oder Schwindel haben.

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Wir machen einen kleinen Sprung von B3 zu Vitamin B5, auch Panthotensäure genannt. Das liegt daran, dass es ursprünglich mehr Stoffe gab, die Vitamin genannt wurden und diesen Status später wieder verloren haben.

Aus Pantothensäure wird der Cofaktor Coenzym A. Pantothensäure selbst besteht aus der nicht-proteinogenen Aminosäure β-Alanin und aus Pantoinsäure. Zusammen mit dem weiteren Aminosäurederivat Cysteamin und dem Nukleotid 3-Phospho-ADP entsteht daraus Coenzym A (CoA).

Coenzym A

CoA dient dem Körper als Überträger von Acylgruppen, das ist ein Kohlenstoff mit einer Doppelbindung zu Sauerstoff und normalerweise einem Alkylrest. Das ist nötig beim Auf- und Abbau von Fettsäuren, beim Aufbau von Cholesterin und Steroiden und beim Energiestoffwechsel. Dabei sind die Acylgruppe und das CoA über ein Schwefelatom verbunden und formt damit eine Gruppe namens Thioester. Thioester besitzen eine relativ hohe Bindungsenergie, was nötig ist, um die Acylgruppe auf andere Moleküle zu übertragen.

Pantothensäure kommt in sehr vielen Lebensmitteln vor. Vit. B5-Mangelerkrankungen sind selten. Überdosierungen sind auch selten, da überschüssige Pantothensäure schnell wieder ausgeschieden wird.

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Jetzt ist Vitamin B6 an der Reihe. So wird eine Gruppe von drei Substanzen bezeichnet, nämlich Pyridoxin, Pyridoxamin und Pyridoxal. Sie können im Körper in einander umgewandelt werden, und aus ihnen entsteht der Cofaktor Pyridoxalphosphat (PLP).

PLP ist ein Cofaktor, der an unterschiedlichen enzymatischen Reaktionen beteiligt ist. Es ist wie auch Vitamin B1 wichtig für Decarboxylierungs-Reaktionen. Es dient aber auch als Cofaktor für Transaminierungen, eine wichtige Art von Reaktionen, mit der Aminosäuren ineinander umgewandelt werden können. Es wird eine Aminogruppe (Stickstoff und zwei Wasserstoff) auf eine sog. Ketosäure übertragen, dadurch entsteht daraus eine Aminosäure und aus der ursprünglichen Aminosäure eine Ketosäure.

Allgemeine Reaktionsgleichung einer Transaminierung

Ein Vit. B6-Mangel ist sehr selten, weil es in sehr vielen Lebensmitteln enthalten ist. Überdosierungen können bei langfristiger Einnahme von zu viel Vit. B6 entstehen und ebenfalls selten zur Schädigung von Nerven führen.

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Vitamin B7 wird auch Biotin genannt und hat seine prominenteste Funktion ebenfalls als Cofaktor. Da wir davon aber schon so viele hatten, schauen wir uns heute v. a. die Funktion von Biotin bei der Regulation von Genen an.

Denn Biotin kann an sog. Histone gebunden sein. Diese Histone sind „Verpackungsproteine“ für DNA, und der DNA-Strang ist quasi um sie herum gewickelt. Wie stark die DNA an sie gebunden ist, hat einen Einfluss darauf, wie aktiv die Gene sind, die auf diesem DNA-Strang liegen. Hier kommt jetzt das Biotin ins Spiel: Wenn ein Histon mit Biotin modifiziert ist, führt das zum „Silencing“ von Genen, die Gene verlieren also ihre Aktivität. Außerdem spielt Biotin wohl eine Rolle bei der Kondensation des Erbguts in dichter gepackte Formen.

Die Funktion von Biotin als Enzym-Cofaktor wird beim Aufbau von Glucose (der Gluconeogenese), dem Aufbau von Fetten sowie beim einiger Fette und Aminosäuren benötigt. Biotin-abhängige Enzyme katalysieren Carboxylierungen (Übertragung einer Carbonsäure-Funktion)

Interessanterweise kann ein Vit. B7-Mangel durch den Verzehr von viel rohem Eiweiß (also Eiklar, nicht Proteine!) entstehen. Denn Eiweiß enthält ein Protein namens Avidin, das sehr stark an Biotin binden kann. Dadurch wird das Biotin nicht mehr aufgenommen. Dieses Prinzip macht man sich übrigens auch in der Molekularbiologie zunutze: Zum Beispiel kann man nämlich Proteine mit Biotin versehen und diese dann über die Bindung an Biotin-bindende Proteine (man nimmt aber meistens das bakterielle Streptavidin und nicht Avidin) immobilisieren, reinigen oder nachweisen.

Ansonsten kommen nur durch die Nahrung bedingte Vit. B7-Mangel sehr selten vor. Auch Überdosierungen sind wohl so gut wie nicht existent.

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Wir machen einen weiteren kleinen Sprung zu Vitamin B9 bzw. Folsäure. Es ist ein Vorläufer für (wär hätte es gedacht) einen weiteren Cofaktor. Aber vor allem ist es ein Vitamin, bei dem Mangelerkrankungen und Supplementierung eine große Rolle spielen.

Folsäure wird bei vielen Prozessen benötigt, u.a. für den Aufbau von Bestandteilen der DNA, den Nukleobasen. Daher wird es eigentlich immer gebraucht, wenn neue Zellen und Gewebe gebildet werden. Eine Zeit, in der das besonders viel geschieht, ist die Schwangerschaft. Daher ist der Vit. B9-Bedarf bei Schwangeren erhöht und es sollte supplementiert werden. Und da es selbst bei regelmäßiger Einnahme ca. zwei Monate geht, bis ein entsprechender Folsäurespiegel aufgebaut ist, ist die Supplementierung tatsächlich schon vor der Schwangerschaft sinnvoll.

Ansonsten ist es auf jeden Fall möglich, den eigenen Vit. B9-Bedarf nur über die Nahrung zu decken. Allerdings ist eine Unterversorgung trotzdem sehr häufig. Vit. B9 kommt z. B. in Hefe, Getreide oder Hülsenfrüchten vor.

Biologisch aktiv ist die reduzierte Form der Folsäure, das Tetrahydrofolat. Es dient als Cofaktor für die Übertragung von C1-Gruppen, also Molekülfragmenten aus einem Kohlenstoffatom. Die C1-Gruppen können in unterschiedlicher Oxidationsstufe übertragen werden.

Es gibt auch einige Arzneistoffe, die auf Folsäure basieren. Methotrexat z.B. ist ein solches Folsäure-Analogon und hemmt das Enzym Dihydrofolatreduktase (DHFR). Die DHFR ist dafür zuständig, das biologisch aktive Tetrahydrofolat herzustellen. Wenn das nicht mehr stattfinden kann, können auch nicht mehr alle Bausteine für die DNA hergestellt werden und Zellen können sich nicht mehr teilen. Daher wird Methotrexat sowohl als Immunsuppressivum (es können keine Immunzellen mehr hergestellt werden) als auch als Zytostatikum (die Krebszellen können sich nicht mehr vermehren) eingesetzt.

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Wir sind bei Cobalamin, dem letzten B-Vitamin angekommen. Auch Vitamin B12 dient als Cofaktor, hat aber einige Besonderheiten, die es von den anderen Vitaminen unterscheiden. Außerdem ist es mein Lieblings-Vitamin.

Cobalamin mit Cobalt als Zentralatom

Cobalamin ist eine organometallische Verbindung, die das Metall Cobalt enthält. Dieses Cobalt-Atom hat sechs Bindestellen, mit denen es an den Rest des Moleküls gebunden ist. Fünf davon sind von Stickstoff-Atomen des Cobalamins besetzt. Die sechste Bindung ist variabel. Es gibt nämlich verschiedene Cobalamine, die sich darin unterscheiden, was an dieser sechsten Bindungsstelle ist. Biologisch aktiv sind Adenosyl- und Methylcobalamin. Am stabilsten und deshalb oft in Vit. B12-Präparaten verwendet ist Cyanocobalamin.

Es gibt beim Menschen außerdem nur zwei Enzyme, die Cobalamin als Cofaktor verwenden. Eines davon, die Methionin-Synthase, stellt die Aminosäure Methionin her, indem mithilfe von Cobalamin eine Methylgruppe übertragen wird. Das andere Enzym ist am Abbau einiger Fettsäuren und Aminosäuren beteiligt und ist besonders für das zentrale Nervensystem wichtig.

Nur weil es nur zwei Cobalamin-abhänge Enzyme gibt, heißt das nicht, dass ein Mangel keine Folgen hätte. Denn einerseits kommt es zu neurologischen Symptomen und andererseits entsteht durch den Vit. B12-Mangel immer auch ein Mangel an dem Folsäure-Metabolit THF. Dadurch wird die Neubildung von Zellen gestört und es kommt zur Anämie.

Vit. B12 kommt tatsächlich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch oder Milchprodukten vor. Deshalb ist es bei veganer Ernährungsweise sinnvoll, Vit. B12 zu supplementieren.

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Mit Vitamin C bzw. Ascorbinsäure lassen wir die B-Vitamine endlich hinter uns. Über Vit. C könnte man wirklich viel schreiben. Es dient als Antioxidans und als Cofaktor. Aber dass es für Menschen überhaupt ein Vitamin ist, ist eigentlich eine ziemliche Ausnahme. Die allermeisten Wirbeltiere können Ascorbinsäure selbst herstellen und müssen es nicht über die Nahrung aufnehmen. Aber bei Menschen fehlt durch eine Mutation fehlt bei Menschen das Enzym L-Gulonolactonoxidase. Dieses Enzym ist für den letzten Schritt der Biosynthese von Ascorbinsäure aus Glucose verantwortlich.

Ascorbinsäure ist zusammen mit Glutathion das wichtigste Antioxidans. Es fängt reaktive Sauerstoffspezies ab, die zu Schäden z.B. an DNA und Proteinen führen können. Die reaktiven Sauerstoffspezies sind Radikale, d.h. sie besitzen ein ungepaartes Elektron. Ascorbinsäure kann leicht Elektronen abgeben, dadurch wird aus dem ungepaarten Elektron ein Elektronenpaar, das deutlich weniger reaktiv ist.

Die Vit. C-Mangelerkrankung heißt Skorbut. An Skorbut sind z.B. Seeleute früher oft gestorben, da sie nicht genügend Nahrung mitführten, die Vitamin C enthält. Allerdings ist die Versorgung mit Ascorbinsäure bei ausgewogener Ernährung ausreichend. Viele Gemüse- und Obstsorten sowie Leber enthalten viel Vitamin C. Vitamin C, das über den Bedarf hinaus aufgenommen wurde, wird über den Urin einfach wieder ausgeschieden. Das kann bei Harnwegseffekten ausgenutzt werden. Denn die viele Ascorbinsäure im Urin senkt den pH-Wert, und bei einem niedrigen pH-Wert können die krankmachenden Bakterien nicht mehr so gut wachsen.

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Kommen wir zum großen Thema Vitamin D. Warum nenne ich es ein großes Thema? Einerseits ist die Biologie von Vit. D so anders als die der anderen Vitamine und andererseits ist es wohl das Vitamin, bei dem Bedarf und Supplementierung am heftigsten diskutiert werden.

Als Vitamin D (bzw. D3) wird das Prohormon Cholecalciferol bezeichnet. Prohormon bedeutet, dass daraus irgendwann ein Hormon entsteht. Diese Hormon ist das Calcitriol, und wie der Name schon andeutet, ist es an der Regulation des Calciumstoffwechsels beteiligt. Es führt dazu, dass im Darm mehr Calcium aufgenommen wird. Außerdem wird weniger Calcium über die Nieren ausgeschieden. Calcium ist wichtig für den Knochenaufbau, der somit durch Calcitriol gefördert wird. Und es Einfluss auf ein anderes Hormon, PTH, und dieses Zusammenspiel verstärkt diese Effekte.

Untypischerweise kann unser Körper Vitamin D selber herstellen, und zwar entsteht es aus Cholesterin. Ein Schritt in der Biosynthese von Cholecalciferol findet in der Haut statt und benötigt UV-Strahlung. Daher kann es auch nur gebildet wenn wir Sonnenlicht ausgesetzt sind. Aus Cholecalciferol kann dann bei Bedarf dann Calcitriol gebildet werden. Das geschieht in zwei Schritten in der Leber und dann der Niere durch jeweils zwei Hydroxylierungen.

Zusammengefasst heißt das also: Vitamin D wird mit Hilfe von Sonnenlicht gebildet und kann dann bei Bedarf zu dem Hormon Calcitriol umgesetzt werden. Das steuert dann wiederum die den Calciumspiegel im Blut und den Knochenaufbau, indem es Einfluss auf die Aufnahme und Ausscheidung von Calcium nimmt und andere Hormone beeinflusst.

Ob eine generelle Supplementierung mit Vitamin D sinnvoll ist, ist umstritten. Zwar kann unser Körper Vitamin D selbst herstellen, allerdings benötigt er dazu Sonnenlicht. Ob diese endogene Synthese ausreicht, ist individuell stark unterschiedlich.

Offensichtlich hat die Zeit, die eine Person in der Sonne verbringt, einen großen Einfluss, aber auch der Hauttyp, etwaiger Sonnenschutz und die Ernährung, da auch in manchen Lebensmitteln Vitamin D enthalten ist. Bei den meisten Erwachsenen wird der Bedarf im Sommer durch die endogene Synthese gedeckt. Im Winter sieht die Sache etwas anders aus. Durch weniger Sonnenlicht, eine geringere Intensität und mehr Kleidung ist der Bedarf im Winter in manchen Fällen nicht mehr gedeckt. Je nach Hauttyp ist es im Winter nötig, etwa eine bis mehrere Stunden im Sonnenlicht zu verbringen.

Allerdings ist auch zu viel Vitamin D nicht gesund. Die DGE gibt einen Vitamin D-Bedarf von 800 IE an (bei fehlender endogener Synthese). Eine Einnahme von mehr als 800 IE Vitamin D ist also grundsätzlich nicht nötig, bis zu 2000 IE Vitamin D pro Tag sind aber sicher. Bei zu hoher Dosis kann es langfristig zu Osteoporose und Nierenschäden kommen.

Ein Mangel an Vitamin D hingegen führt zu einer Erweichung der Knochen und geht mit vielen unspezifischen Symptomen einher. Falls ihr den Verdacht habt, einen Vit. D-Mangel zu haben, könnt ihr euren Serumspiegel bestimmen lassen.

Zusammengefasst: Eine Unterversorgung im Winter ist relativ häufig und eine Supplementierung von Vitamin D kann sinnvoll sein. Es ist allerdings empfehlenswert, vorher den Vitamin D-Spiegel zu messen und zu viel (mehr als 2000 IE/Tag) solltet ihr auf keinen Fall einnehmen.

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Ähnlich wie auch Vitamin C ist auch Vitamin E ein Radikalfänger und Antioxidans. Dabei ist Vit. E ein Sammelbegriff für mehrere Stoffe, die Tocopherole und Tocotrienole. Das häufigste davon ist alpha-Tocopherol. Vit. E ist aber, im Gegensatz zu Vit. C, fettlöslich. Daher kommt es auch vor allem in den Zellmembranen vor. Die bestehen aus Phospholipiden mit einem hydrophilen Kopf und langen lipophilen Resten. Diese Reste zeigen in das innere der Membran, und in dieser lipophilen Umgebung findet man Vitamin E.

Ungesättigte Fettsäuren in den Membranen werden leicht oxidiert und dadurch zerstört. Eine der Hauptaufgaben von Vitamin E ist es, das zu verhindern. Das macht es, indem es das ungepaarte Elektron eines freien Radikals aufnimmt, das ansonsten zur Lipidoxidation führt. Dabei entsteht zwar aus dem Vitamin E auch ein Radikal mit ungepaartem Elektron, aber beim Vitamin E kann dieses Elektron über einen großen Bereich des Moleküls „verteilt“ werden. Dadurch ist das Vit. E-Radikal deutlich weniger reaktiv. Vit. E kann dann aus dem Radikal mit Hilfe von Vit. C wieder regeneriert werden.

Da Vitamin E ein fettlösliches Vitamin ist, kommt es vor allem in fettreichen Nahrungsmitteln vor. Außerdem enthalten pflanzliche Öle mehr davon als tierische Öle. Tocopherol wird auch Lebensmitteln oder auch Arzneimitteln häufig als Antioxidans zugesetzt, um sie haltbarer zu machen.

Ein Mangel an Vitamin E kommt sehr selten vor. Eine Überdosierung hingegen ist nicht ungefährlich und kann zu gesundheitlichen Folgen führen.

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Zum Abschluss schauen wir uns noch Vitamin K an. Das ist ein Sammelbegriff für drei Stoffe, die das gleiche Grundgerüst haben und sich in ihrer Seitenkette unterscheiden. Vitamin K ist mal wieder ein Cofaktor und u.a. für die Blutgerinnung unverzichtbar.

Die Blutgerinnung beruht auf einer ganz schön komplizierten Kaskade aus vielen Proteinen, die einander gegenseitig aktivieren. Um manche dieser Gerinnungsfaktoren zu aktivieren braucht es allerdings noch etwas mehr: Das Enzym gamma-Glutamylcarboxylase (GGCX) und Vitamin K.

Damit diese Gerinnungsfaktoren funktionieren können, müssen sie nämlich ein Calcium-Ion binden können. Und dafür muss eine Aminosäure der Gerinnungsfaktoren chemisch verändert werden. Genauer gesagt muss die Aminosäure Glutamin carboxyliert werden. Das übernimmt die GGCX zusammen mit Vitamin K. Carboxyliertes Glutamin kann jetzt Magnesium-Ionen binden und ermöglicht damit die Funktion der Gerinnungsfaktoren; die Blutgerinnung, z. B. nach einer Verletzung, kann stattfinden.

Vitamin K bei der Carboxylierung von Gerinnungsfaktoren

Vitamin K muss dafür allerdings „vorbereitet“ werden (es wird zum Vitamin K-Hydrochinon reduziert), das macht eine Reduktase. Dass Vitamin K so „vorbereitet“  werden muss kann man sich bei gerinnungshemmenden Arzneimitteln zu Nutze machen. Die sog. Vitamin K-Antagonisten hemmen nämlich die Reduktase, die dafür zuständig ist. Dadurch kann die GGCX nicht mehr arbeiten, die Gerinnungsfaktoren können nicht mehr aktiviert werden und die Blutgerinnung kann nicht mehr stattfinden. Zu den Vitamin K-Antagonisten gehören z.B. Phenprocoumon oder Warfarin (interessanterweise wird in Europa fast nur ersteres und in den USA v. a. letzteres verwendet). Natürlich sollten Patient:innen, die Vitamin K-Antagonisten nehmen, nicht zu viel Vitamin K zu sich nehmen, da sonst die gerinnungshemmende Wirkung verloren gehen kann.

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Und bei K endet bei den Vitaminen auch schon das Alphabet. Natürlich gäbe es zu jedem einzelnen noch viel mehr zu sagen, aber das würde den Rahmen ziemlich schnell sprengen.

Und auch zum Thema Vitamin-Mangel und Supplementierung könnte man noch mehr erzählen. Deshalb möchte ich zum Abschluss noch sagen: Wenn ihr den Verdacht habt, an einem Vitamin-Mangel zu leiden, dann redet am besten mit eine:r Ärzt:in oder Apother:in und lasst euch beraten. Das mag zwar erstmal aufwändiger sein als einfach ein paar Vitaminpillen zu kaufen, aber es ist trotzdem besser als unnötig Geld dafür zu verschwendet oder gar eine Überdosierung zu riskieren.