Eine der größten Revolutionen der Medizin war ohne Zweifel die Entdeckung der Antibiotika. Während davor mehr als die Hälfte aller Menschen an Infektionen starben, sind viele dieser damals lebensbedrohlichen Krankheiten heute relativ gut zu behandeln. Doch diese „Unschlagbarkeit“ gegenüber bakteriellen Infektionen wird von Antibiotika-Resistenzen bedroht. Die Entstehung von mehr und mehr Resistenzen ist unvermeidbar, und schon jetzt sind multiresistente Stämme ein großes Problem. Die Entwicklung neuer Antibiotika läuft hingegen nur schleppend. Wie also kann in Zukunft unsere Antwort auf Antibiotika-Resistenzen aussehen?

Das Wettrennen gegen Resistenzen

Der Kampf gegen resistente Bakterienstämme ist wie ein Wettrennen. Aber während die Entwicklung neuer Antibiotika durch wissenschaftliche und gesellschaftliche Gründe – die wir uns später noch genauer anschauen werden – gebremst wird, ist die Entstehung neuer Resistenzen unaufhaltsam.

Dass Bakterien resistent gegenüber bestimmten Wirkstoffen werden, ist die logische Konsequenz aus deren Einsatz. Denn wenn ein Antibiotikum erst einmal „draußen“ in der Welt ist, haben Bakterien, die weniger empfindlich darauf sind, einen evolutionären Vorteil. Sie erwerben Resistenzen gegen diesen Stoff durch Mutationen in ihrem Erbgut, was durch ihre extrem große Zahl und kurzen Generationszeiten viel schneller geht als zum Beispiel evolutionäre Prozesse bei Menschen ablaufen.

Elektronenmikroskopisches Bild von E. coli Bakterien (Bild: Janice Haney Carr)

Und hat ein Bakterium erst einmal eine Resistenz erworben, kann es sie durch einen sogenannten horizontalen Gentransfer auch an andere Bakterien weitergeben. Dabei wird genetisches Material, beispielsweise in Form von ringförmigen DNA-Stücken, den Plasmiden, von einer Zelle an eine andere übertragen. Dieses genetische Material codiert entsprechende Antibiotika-Resistenzen – aber nicht nur das: Denn oft befindet sich darauf nicht nur die Information für die Resistenz gegen einen Stoff, sondern gegen viele unterschiedliche. Und so kann es dann passieren, dass die Selektion durch die Anwendung eines Antibiotikums quasi nebenbei zum Erwerb vieler weiterer Resistenzen führt.

Wie sich Bakterien gegen Antibiotika wehren

Aber wie funktionieren Resistenzen überhaupt? Da gibt es verschiedene Mechanismen – oder Kombinationen von Mechanismen – die Bakterien resistent machen können. Erst einmal gibt es die intrinsischen Resistenzen, bei denen Bakterien aufgrund ihrer „normalen“ Eigenschaft nicht anfällig für einen Stoff sind. Bakterien können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Gram-positiv und Gram-negativ. Sie unterscheiden sich durch den Aufbau ihrer Zellwand, was der Grund für viele intrinsische Resistenzen ist. Denn einige Stoffe, z.B. das Antibiotikum Vancomycin, können die Zellwand Gram-negativer Bakterien (genau genommen deren äußere Membran) einfach nicht überwinden.

Intrinsische Resistenzen sind aber nicht diejenigen, die uns Probleme bereiten. Das sind eher die erworbenen Resistenzen. Und während eine verminderte Aufnahme von Antibiotika – beispielsweise durch verringerte Bildung von Kanalproteinen oder vermehrte Bildung von Proteinen, die Antibiotika wieder aus der Zelle heraustransportieren – auch hier ein wichtiger Mechanismus ist, ist es bei Weitem nicht der einzige.

Am simpelsten sind wohl einfach Veränderungen in der Zielstruktur. Denn alle Antibiotika binden an irgendeine Struktur der Bakterien, hauptsächlich Enzyme, um dort ihre Wirkung zu vermitteln. Wenn diese Zielstruktur,  das sogenannte Target, durch eine Mutation verändert ist, können Antibiotika schlechter daran binden und werden weniger wirksam (z.B. indem sich durch eine andere Aminosäure im aktiven Zentrum eines Enzym die Bindestelle orthosterischer Hemmstoffe verändert).

Bakterien können sich aber auch direkt gegen Antibiotika wehren, indem sie sie chemisch verändern. Dazu können sie entweder Bindungen spalten – meistens durch Hydrolyse von Estern oder Amiden – oder neue chemische Gruppen an die Antibiotika anhängen. So der so, am Ende führt das dazu, dass die veränderten Stoffe nicht mehr an ihr Target binden können.  Die Aufgabe, Antibiotika chemisch zu verändern, übernehmen Enzyme. Und das bekannteste Beispiel hier sind wohl die β-Lactamasen.

β-Lactamasen spalten Penicilline und machen sie damit unwirksam

β-Lactamasen gehören zu den Penicillin-bindenden Proteinen. Aber außer Penicilline (und generell β-Lactam-Antibiotika) zu binden, können sie diese leider auch abbauen und damit wirkungslos machen. Einige Bakterien besitzen natürlicherweise β-Lactamasen, aber auch viele Stämme, die vorher Penicillin-sensibel waren, werden durch die Bildung von β-Lactamasen resistent. Als Gegenmaßnahme wurden die β-Lactamase-Hemmer entwickelt, also Arzneistoffe, die nur dazu da sind, die abbauenden Enzyme zu hemmen. Sie werden zusammen mit einem Antibiotikum gegeben, um es vor dem Abbau zu schützen. Allerdings gibt es sehr viele unterschiedliche β-Lactamasen, gegen die einzelne Stoffe alleine nicht alle wirken können, und auch die abbauenden Enzyme verändern sich immer weiter – so entstanden zum Beispiel die extended spectrum β-Lactamasen, die noch mehr unterschiedliche Antibiotika abbauen können.

Das größte Problem: Der falsche Umgang

Welcher Mechanismus auch immer für die Resistenz verantwortlich ist, er ist genetisch codiert und kann damit sowohl evolutionär entstehen als auch zwischen Bakterien übertragen werden. Und hier müssen wir uns als Menschheit selbst an die Nase fassen: Denn wir schaffen die perfekten Bedingungen dafür. Die Entstehung von Resistenzen ist nämlich an Orten am einfachsten, an denen viele und viele unterschiedliche Bakterien einer großen Zahl an Antibiotika ausgesetzt sind. Dazu gehören natürlich Krankenhäuser, in denen viele verschiedene Patient:innen mit diversen Infekten behandelt werden müssen. Aber nicht allein die Kliniken sind das Problem. Das Abwasser ist oft mit den unterschiedlichsten (antibakteriellen) Arzneistoffen kontaminiert, sodass auch dort ideale Bedingungen für Entstehung resistenter Stämme herrschen.

Generell ist der größte Faktor, der zur Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen beiträgt, der fehlerhafte Umgang mit Antibiotika. Das reicht von unnötig oder falsch verschriebenen Antibiotika durch Ärzt:innen über unzureichende Vorschriften und mangelhafte Aufklärung von Patient:innen bis hin zum übertriebenen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und der Kontamination von Wasser und Umwelt.

Daher sind Maßnahmen, unseren Umgang mit antibiotischen Arzneimitteln zu verbessern, eine wichtiges Werkzeug im Wettrennen gegen die Resistenzen. Ein Beispiel sind die Antibiotic Stewardship Programme, die auf mehreren Ebenen und interdisziplinär einen verantwortungsvollen Umgang fördern wollen.

Aber eine Sache muss trotzdem klar gesagt werden: Solange wir Antibiotika verwenden, ist die Resistenz dagegen ein Selektionsvorteil für Bakterien. Das bedeutet, dass Antibiotika-Resistenzen quasi unvermeidbar sind. Und das heißt auch, dass wir neue antibakterielle Wirkstoffe brauchen werden, um Infektionen mit diesen resistenten Bakterien zu behandeln. Wieso das aber gar nicht so einfach ist, und was wir tun können, um dieses Wettrennen doch zu gewinnen, erfahrt im zweiten Teil dieses Textes, den ihr hier findet.

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