Habt ihr euch schon einmal gefragt, was das kleinste bioaktive Molekül ist, das im menschlichen Körper gebildet wird? Es ist NO, also Stickstoffmonoxid. Und auch ansonsten ist NO ein eher ungewöhnliches Biomolekül. Außerdem ist ein zentraler Punkt in der Entstehung und der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher möchte ich es euch diesen Monat vorstellen.
NO ist ein Signalmolekül. Es wird von Endothelzellen der Blutgefäße gebildet – das sind die Zellen, aus denen die Innenwände der Blutgefäße bestehen. Dieses Endothel ist umgeben von Muskelgewebe, das den Durchmesser der Blutgefäße steuert, und damit auch an der Regulation des Blutdrucks beteiligt ist. Stickstoffmonoxid ist eigentlich gasförmig, aber innerhalb von Zellen und im extrazellulären Medium liegt es gelöst vor. Nachdem es von den Endothelzellen freigesetzt wurde, breitet es sich durch Diffusion aus, bis es die Muskelzellen (glatte Muskelzellen, um genau zu sein) des Gefäßes erreicht. Dort kann es dann an ein Enzym binden, das lösliche Guanylatzyklase heißt. (Löslich deshalb, weil es gelöst im Zellinneren vorliegt, im Gegensatz zur membranständigen Guanylatzyklase, die an die Zellmembran gebunden ist.) Die Guanylatzyklase stellt den second messenger cGMP her, also einen weiteren Botenstoff, der dann dafür sorgt, dass die Muskelzellen relaxieren (= sich entspannen) und die Blutgefäße erweitert werden. Dadurch sinkt in dem entsprechenden Abschnitt der Blutdruck.
NO „lebt“ aber nicht besonders lang. Es ist – im Gegensatz zu den meisten anderen Biomolekülen – ziemlich reaktiv. Es reagiert innerhalb einiger Sekunden mit Sauerstoff und Wasser zu Nitrit (NO2–) und Nitrat (NO3–), die dann (fast) nicht mehr aktiv sind. Noch schneller reagiert es mit Superoxid-Anionen (O2·-). Bei oxidativem Stress werden mehr Superoxid-Anionen gebildet, und NO wird dadurch schneller abgebaut. Dadurch kommt es zu mehr verengten Gefäßen (und ein paar anderen Effekten wie Thrombozytenaggregation). Der oxidative Stress kann z.B. durch Rauchen oder Diabetes verursacht werden, und die Effekte auf die NO-Wirkung tragen zu einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei.
Da Stickstoffmonoxid so einen großen Einfluss auf die Regulation der Blutgefäße hat, ist es aber auch ein guter Ansatzpunkt für Arzneistoffe. Weil diese Arzneistoffe im Körper NO freisetzen, bezeichnet man sie als NO-Donatoren. Einer davon ist Glyceroltrinitrat (umgangssprachlich Nitroglycerin) – ein Stoff, der sowohl als Arznei- als auch als Sprengstoff verwendet wird. Es wird nach der Einnahme enzymatisch gespalten, wodurch NO freigesetzt wird und seine Wirkung entfalten kann. Eingesetzt wird Glyceroltrinitrat bei Angina pectoris, einem straken Schmerz, der durch eine zu schwache Durchblutung des Herzens entsteht. Ich möchte hier nicht ausführlich auf die Wirkung von Glyceroltrinitrat/NO bei Angina pectoris eingehen (weil wahrscheinlich keiner von uns – am allerwenigsten ich –will, dass ich jetzt ausufernd die notwendige Hämodynamik erkläre), aber letztendlich ruft das freigesetzte NO eine Gefäßerweiterung hervor, wodurch das Herz wieder besser mit Blut versorgt wird.
Obwohl ich mich jetzt vor allem auf die Wirkung von NO als Botenstoff in den Blutgefäßen konzentriert habe, hat es noch viele weitere Aufgaben. Zum Beispiel wird NO von Nervenzellen gebildet. Im peripheren Nervensystem (also überall außer im Gehirn und Rückenmark) wirkt NO sogar als Neurotransmitter, d.h. als Botenstoff, der Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weiterleitet. Das macht NO aber ebenfalls nicht so wie „normale“ Neurotransmitter, die in der Synapse an membranständige Rezeptoren der postsynaptischen Nervenzelle binden. Stattdessen diffundiert NO in die postsynaptische Nervenzelle und interagiert dort wieder mit einem Enzym, wie bei der Guanylatzyklase auch. Aber auch Immunzellen produzieren NO, und zwar in so großen Mengen, dass es eine toxische Wirkung auf Bakterien oder Parasiten hat.
Das war das Biomolekül des Monats Juli. Wenn euch dieser Beitrag gefallen hat, dann abonniert doch gerne meinen Newsletter, damit ihr keinen neuen Blogbeitrag mehr verpasst (am Desktop auf der rechten Seite oder mobil ganz unten in der Fußzeile). Und hier geht es zum Biomolekül des letzten Monats.
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